Meine Rede zum 1. August in Hägendorf

Als ich für diese Rede etwas recherchiert habe, habe ich nach den am häufigsten genannten Begriffen in 1. August-Reden gesucht.

Erwähnt wurden folgende Begriffe:

Schweiz, Zusammenhalt, Freiheit, Gemeinsinn, Chance, Wert, Stolz, Land, Jahr und Zeit

Ich war erstaunt, dass «Dankbarkeit» und «Heimat» nicht vorkommen. Oftmals hört man doch, dass jemand stolz sei, Schweizer oder Schweizerin zu sein. Mir geht es eher so, dass ich sehr dankbar bin, Schweizerin zu sein. Ich bin dankbar, dass ich einem sicheren Land mit politischer Stabilität aufwachsen durfte und leben kann. In einem Land, mit direkter Demokratie, in dem wir nicht nur die Politikerinnen und Politiker wählen oder auch nicht wählen können, sondern uns auch zu sehr vielen Themen direkt an der Urne äussern dürfen. In keinem anderen Land können die Bürger und Bürgerinnen über so viele Themen abstimmen, wie bei uns. In Deutschland beispielsweise traut man es dem Volk nicht zu, sich richtig über komplexe Themen zu informieren. Und ja, ich gebe zu, dies ist eine grosse Herausforderung. In einer Zeit, in der die Medienlandschaft dünner und qualitativ schlechter wird und die Abstimmungs- und Wahlkämpfe immer polemischer werden, in aller Regel auf allen Seiten, ist es manchmal schwierig, sich zu orientieren. Die jeweils tiefe Stimm- und Wahlbeteiligung lässt darauf schliessen, dass unser System zu optimieren wäre. Aber, wenn es auch nicht perfekt ist, ist es das beste System, welches ich mir vorstellen kann. Tragen wir also Sorge dazu, engagieren und beteiligen wir uns weiterhin.

 

Es gibt natürlich noch weitere Gründe, dankbar zu sein, in der Schweiz leben zu dürfen. Mir kommt die Schweiz manchmal vor wie eine Katze, die immer auf den Beinen landet, wenn sie irgendwo runterfällt. Auch dies ist aus meiner Sicht ein Resultat unseres politischen aber auch unseres Werte-Systems. Die Ausgestaltung unserer politischen Landschaft, mit den unterschiedlichen Parteien, führt dazu, dass keine Seite die absolute Mehrheit hat. Dies führt wiederum dazu, dass Entscheide lange (ich gebe zu, manchmal wirklich sehr lange) diskutiert werden müssen, bis man eine gemeinsame Lösung gefunden hat. Schnellschüsse, die im Nachgang wieder rückgängig gemacht werden müssen, können so oftmals verhindert werden und die Akzeptanz im Volk ist grösser.

Wenn wir zurückdenken, wie viele Unternehmen in der Covid Krise gerettet werden konnten! Fast über Nacht konnte ein grosser Rettungsschirm gespannt werden, unter dem viele Schutz gefunden haben. Und die Rettungsmassnahmen waren breit abgestützt und getragen.

Diese konstruktiven Diskussionen unter den Politikerinnen und Politikern sind möglich, weil wir in der Schweiz und besonders bei uns im Kanton Solothurn noch immer einen sehr anständigen Umgangston untereinander pflegen. Und man macht ja gerne Witze darüber, dass sich Politiker und Politikerinnen dauernd bei Apero treffen. Es stimmt tatsächlich, dass wir ab und zu einen Apero einen Ausflug machen. An vielen von diesen Anlässen treffen wir uns über die Parteigrenzen hinweg, man diskutiert zusammen, man lacht zusammen und man regt sich auch mal übereinander auf. Aber all diese Begegnungen schaffen den Boden für die Diskussionen im Ratssaal oder an Podien. Sie schaffen den Boden für gute und wichtige Kompromisse.

Dies fördert das Verständnis für Anliegen, denen man auf den ersten Blick nichts abgewinnen kann. Und es ermöglicht Diskussionen ausserhalb des eigenen privaten oder politischen Umfeldes. Und gar nicht mal so selten kommt es dabei vor, dass man einen gemeinsamen Nenner findet, oder dass man, mit einem anderen Blickwinkel versteht, warum die andere Seite etwas unterschiedlich einschätzt.

Dass wir immer wieder auf den Beinen landen, hat aber noch weitere Gründe. Mit unserem dualen Bildungssystem sind wir für fast jede Herausforderung gewappnet. Abgänger und Abgängerinnen unserer Berufslehren sind nicht nur in der Schweiz gefragt, auch das Ausland schielt neidisch auf sie. Unser durchlässiges Bildungssystem sorgt dafür, dass man sich jederzeit weiterentwickeln kann und am Schluss etwas ganz anderes macht als mit 16 Jahren geplant hatte. So können wir doch recht flexibel auf die Entwicklungen in der Welt und in der Wirtschaft reagieren. Aber zu diesem Bildungssystem müssen wir Sorge tragen. Wir dürfen es nicht strapazieren, wir dürfen die Lehrerinnen und Lehrer nicht überfordern. Das heisst, wir müssen ab und zu abrücken von der Idealvorstellung einer Schule, welche Kinder mit Behinderungen und herausfordernden Verhaltensweise oder fremdsprachige Kinder alle in einer Klasse unterbringen will. Schlussendlich zum Wohl von allen.

Die sehr gut qualifizierten Fachkräfte, aktuell sind diese leider etwas rar, und unser stabiles politisches System sorgen dafür, dass sich internationale Firmen bei uns ansiedeln und Arbeitsplätze anbieten. Nicht vergessen dürfen wir aber, dass es sich beim grössten Teil der Firmen um inländische KMU handelt. 99% aller Firmen sind KMU und sie stellen 2/3 aller Arbeitsplätze. Und somit wird auch klar, zu welchen Firmen wir gut schauen müssen. Nicht zu den internationalen Grosskonzernen, sondern zu den KMU, die oftmals mitten in der Gesellschaft zu finden sind. Auch bei uns in Hägendorf sind viele solche KMU ansässig und sie sind nicht wegzudenken. So werde ich beispielsweise jedes Mal, und ich meine wirklich, JEDES MAL, wenn ich mich vorstelle, gefragt, ob ich mit dem Vögeli Beck verwandt sei. Und ich habe entschieden, so lange Politik zu machen, bis man im Vögeli Beck fragt, ob SIE mit MIR verwandt seien. 😉 Ich befürchte allerdings, dass da ein einziges Leben nicht ausreicht.

Natürlich haben wir noch viele andere KMU in Hägendorf, ich kann sie nicht alle aufzählen. Zu unseren KMU müssen wir Sorge tragen, ein gutes Umfeld bieten und unnötige Bürokratie abbauen, oder verhindern, dass sie überhaupt entsteht.

Es ist mir noch ein Grund in den Sinn gekommen, weshalb wir immer wieder auf den Beinen landen. Unsere Sozialwerke sind so ausgebildet, dass die Maschen, welche die Menschen auffangen müssen, eng sind. Verglichen mit dem Ausland sind wir hier aber gut aufgestellt. Unsere Sozialwerke, sei es die IV, die Sozialhilfe, die Krankenkassen oder die Arbeitslosenversicherung verhindern in den allermeisten Fällen, dass jemand in die komplette Armut rutscht. Ein kurzer Blick über die Grenze, in unsere Nachbarländer, zeigt, dass dies nicht selbstverständlich ist. Obwohl es natürlich selbstverständlich sein sollte. Aber auch hier gilt es, dazu Sorge zu tragen, Missstände und Missbrauch zu verhindern und die Akzeptanz in die doch auch hohen Kosten nicht zu gefährden.

Eingangs habe ich noch den Begriff «Heimat» erwähnt, der erstaunlicherweise nicht zu den häufigsten Begriffen in den 1. August Reden gehört. Heimat, ein Begriff, welcher für jeden und jede etwas anderes bedeuten kann. Für mich ist Hägendorf ein wichtiger Teil meiner Heimat. Heimat ist der Blick in die Alpen an einem klaren Tag. Es ist die Wanderung durch die Teufelsschlucht, vorbei am Sandloch, rauf zum Bannkreuz. Oder der «alte Weg» rauf auf den Allerheiligen. Heimat ist aber auch, dass mich viele Leute hier kennen, dass ich mit Namen begrüsst werde, wenn ich zum Optiker gehe, ins Restaurant Teufelsschlucht (welches früher noch Gotthard hiess, aber das wissen nur noch die allerwenigsten), oder dass ich, wenn mich jemand nicht zuordnen kann, sagen kann: «Ich bin die Tochter von Cäsar und Doris».  Für die «Alteingesessenen» ist das noch ein Begriff. Heimat heisst auch, dass ich an der Chilbi oder am Fasnachtsumzug meine ehemaligen Schulfreunde treffe, ohne sich zu verabreden. Dass in der Strasse, in der ich wohne, noch Menschen leben, die mich schon als kleines Kind gekannt haben. Und es bedeutet, dass viele Menschen Anteil nehmen an meinem Leben und ich an ihrem.  

Eingangs habe ich noch das Wertsystem angesprochen. Auch dies sorgt dafür, dass wir uns «daheim» fühlen. Wir merken es, sobald wir in einer fremden Kultur unterwegs sind. Sofort fragen wir uns: «Ist es ok, wenn ich mich so verhalte? Darf ich das so sagen?» Unser Wertesystem macht es möglich, dass ich Zug jemand völlig fremdes bitte kann, auf mein Gepäck aufzupassen, damit ich auf’s WC kann. Diese Werte müssen wir pflegen und sie verteidigen. Denn, sind sie mal weg, kommen sie nicht wieder.

Heute aber ist der Tag, an dem wir feiern wollen. Heute, liebe Anwesende, feiern wir heute die Schweiz und was wir alles erreicht haben. Und morgen arbeiten wir wieder ganz schweizerisch weiter, damit wir unsere schöne Schweiz noch weiterentwickeln können und wir nächstes Jahr auch wieder etwas zu feiern haben.

In diesem Sinn wünsche ich Euch allen einen schönen 1. August, feiert zusammen und geniesst ein paar gemütliche Stunden!

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